Eine Bekannte aus dem Internetz schickte mir eine Einladung für diesen Freitag... zu einer Werksbesichtigung der edlen Schuhmanufaktur "Reiter". Witzig dabei: An dem weitläufigen Anwesen sind der Hase und ich mit den beiden Mäusen (und schon mit unserer Amy selig) hunderte Male vorbeigefahren: Es liegt in Süssenbrunn, knapp außerhalb der Wiener Grenze - keine drei Minuten von uns entfernt. ;-)
Das 1885 gegründete Unternehmen kaufte im Jahre 2008 den Gutshof Süssenbrunn und konzentrierte alle Produktionsstätten dort - ein wahres Glück für die alten Gemäuer: Es wurde daraufhin wunderbar renoviert und behutsam mit modernen Zubauten erweitert. Und genau dortrein durften wir heute unsere neugieren Nasen stecken... mit Kamera! Ich fragte bei der Reservierung unseres Termins extra noch einmal nach - 'Nein, überhaupt kein Problem. Sie können sehr gerne fotografieren und wir freuen uns sehr auf Ihren Besuch und Ihren Bericht im Internet!' Na hallo... so aufgeschlossen sind nicht alle Firmen. ;-)
Treffen mit Vanessa.
Bevor es in die *heiligen Hallen' der Schuhmanufaktur ging, trafen wir 'die Bekannte aus dem Internetz' - Vanessa. Es war schon höchste Zeit geworden - ich schätze sie ob ihrer unabhängigen Art
in der 'Bloggerszene' und ihrer unkonventionellen Art sehr. Und ich bewundere ihre Liebe zur Typographie und zu Drucktechniken... sie macht wunderbare Dinge. :-)
Diesmal ging sich einmal ein Plauscherl 'in echt' aus. *juhu!* :-)
Die Werksführung.
Um 16:30h ging's dann los: Wir tauchten in die geheimnisvolle Welt der Schuhherstellung ein.
Am Beginn: Lederkunde.
Unglaublich, welche Typen von Leder es gibt - witzig dabei: Vom Pferd kann man nur die Haut von den 'Po-Backen' verwenden. Also... sollte man jemals in die Verlegenheit kommen, jemanden mit
'Reiter-Schuhen' aus Pferdeleder einen in den Allerwertesten zu treten, dann hat man das passenderweise mit Popsch-Leder gemacht. *LOL*
Spannend auch: Man sieht auf dem Leder (natürlich) jede kleine Verletzung oder Narbe des Tieres (witzig: Ein kleiner Experte meinte fachkundig beim Drüberstreichen am Leder: 'Papa! Da ist ein Gelsenstich!' *LOL*)
Das Leder für die Schuhe wird im ersten Bearbeitungsschritt entweder mit Schablonen zurechtgestanzt (wenn die Stückzahl hoch genug ist, um die kostenintesiven Schablonen herzustellen) oder aber auf einer CNC-Maschine zugeschnitten. Industriell? Mitnichten. Denn die Lederfachfrau muss erstens einmal die fehlerhaften Bereiche am Leder fachkundig herausfinden und markieren - und dann am Bildschirm die Stücke so anordnen, daß möglichst wenig Verschnitt übrigbleibt.
Manchmal wird das Leder aber auch noch händisch mit Schablonen zugeschnitten. Handarbeit pur!
Die klassischen Lochmuster an den 'Reiter-Schuhen' werden an einer alten, kleinen Stanzmaschine angefertigt... faszinierend, dabei zuzusehen.
(Ich war voll in meinem Element... HANDWERK! *hachmach* :-)
Schon langsam konnte man irgendwie ein System hinter den Einzelteilen erkennen ;-) und ab ging's in die nächste Abteilung.
Jetzt geht's an 'Eingemachte': Der Schuh bekommt seine Form.
Faszinierend:
Für jedes Modell und jede Schuhgröße gibt es eine Form, die dazu verwendet wird. Das Lager hierfür ist wahrhaft beeindruckend und wunderbar "oidfadrisch" :-)
Den Leitspruch auf der Regalwand fand ich übrigens auch leiwand. :-)
Dann weiter: Die Schuhleiste (Kante) - aufgebracht bzw. genäht in handwerklicher Perfektion von einem darauf ganz speziell geschulten Mitarbeiter.
Das sah so easy aus...aber da steckt jede, jede Menge Erfahrung und Handfertigkeit dahinter.
Ich war sehr beeindruckt.
Verwendet wird ein Spezialgarn, der vorher in heißes Pech getaucht wird. Dadurch wird er wasserundurchlässig und sogar die Nähe der 'Reiter-Schuhe' sind wasserfest.
(links die verschiedenen Kanten, rechts das heiße Pech)
Sohle pressen, Kanten abfräsen, Nähte verschleifen... das alles passierte an den nachfolgenden Maschinen.
Die Mitarbeiter waren extrem freundlich und aufgeschlossen... jeder erzählte mit Passion und Hingabe, was er gerade machte und warum. Ein wirklich schöner Rundgang war das.
Sehr löblich: Die Reparatur-Abteilung im Werk bringt alte Treter wieder professionell in Schuß - da dreht sich das ganze Produktions-Radl halt in die verkehrte Richtung. *g*
In der Endkontrolle wird noch mal der letzte Feinschliff gemacht - und das Logo auf die Innenseite geklebt.
Sorgfältig verpackt geht dann alles ins Lager.
(Da lagen auch die vielen geilen Prägestempel für die Logos herum... sehr genial!)
Natürlich besuchten wir auch den Fabriksverkauf, der die günstigste Möglichkeit ist, so ein hochwertiges Schuhwerk zu erstehen.
Haben wir eingekauft?
Noch nicht.
Wir hatten noch eine Abendverabredung und nicht mehr viel Zeit.
Aber wir haben echt Lust auf ein paar neue, handgefertigte Schuhe bekommen und werden hier sicher in den nächsten Wochen wieder eintrudeln, um in Ruhe zu probieren und
auszuwählen.
Das ist einfach ein geniales Gefühl, wenn man Handwerk 'an den Füßen trägt' und alles hier in Wien gefertigt wird.
Nachlesen kann man die Entstehungsgeschichte eines Schuhs übrigens hier.
Wir haben dieses Erlebnis sehr genossen. Handwerk rockz! :-)
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richard (Samstag, 15 Oktober 2016 13:14)
Erinnert mich daran dass ich seit 10 Jahren einen Reiter Gutschein hab :-)
Wolfi (Samstag, 15 Oktober 2016 14:02)
Na, dann - ab zum Werksverkauf! ;-)
Vanessa (Samstag, 15 Oktober 2016 20:53)
Vielen Dank für Euren Besuch, die lobenden Worte und Komplimente! Und auch noch mit Gastgeschenk. Ich werde jede einzelne Kirschtomate im Warme-Küche-Design Glas genießen, und dabei an Euch denken. Herrlicher Bericht. Nächstes Mal komme ich auch als Gast :-) Ich kannte zwar die Manufaktur, aber die Führung ist ja ein Traum. Wieder herrlich aufbereitet mit den Videos. Bravo.
Wolfi (Sonntag, 16 Oktober 2016 20:07)
@Vanessa: War sehr, sehr nett, Dich endlich kennenzulernen, *in echt* :-))
Ja, die Führung war extrem nett. Habe jetzt einfach ein anderes Bild im Kopf, wenn ich diese handgefertigten Schuhe sehe... ;-)